Am Anfang


Willkommen an einem weiteren Brunnen in einer überhydrierten Wüste des Geistes!
Gewiss mag es sinnlos erscheinen, hier einen mehr oder weniger sinnvollen Beitrag
leisten zu wollen angesichts dieses Wustes an Informationen, Tipps und pseudophilosophischen sowie -literarischen Kommentaren zum Leben.
Aber was soll`s? Man kann es lesen oder kann es lassen, im Nachhinein ärgert man sich vielleicht über die vergeudete Zeit, oder man rettet sein Leben, vielleicht verwirre ich mehr, vielleicht bin ich die Nadel im Heuhaufen der letzten Strohhalme, wer kann das schon wissen...nichtsdestotrotz viel Spass und Inspiration beim Lesen.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Die Philosophie der Schwerkraft

Spätestens seit Sir Isaac Newton wissen wir, dass alles einem gewissen Punkt zu fällt, nämlich dem schwersten, dem mit der meisten Anziehungskraft. Für uns auf der Erde heißt das, dass alles zum Erdmittelpunkt also nach unten fällt. Es heißt "physikalische Gesetze", also Dinge, die die materielle Welt betreffen und dennoch stellt sich die Frage, ob und warum die imateriellen Teile dieser Welt, im Speziellen unsere Persönlichkeit, Seele, Charakter usw. den gleichen Gesetzmäßigkeiten unterworfen sind.
Für mich steht eindeutig fest, dass die Feinstofflichkeit unseres Seins (also Charakter usw.) ebenjenen Regeln gehorcht, also eine Dynamik besitzt, die eindeutig nach unten gerichtet ist, einem Punkt zustrebt, der die größte Masse besitzt. Und jene Masse zeichnet sich durch einen instabilen Charakter aus, eine Zerüttung, Chaos, Dunkelheit, Depression, egal, wie man es nennen möchte. Unser Sein ist eine Metapher auf die Kugel, die in einer Spirale dem tiefsten Punkt zurollt, ohne eine erkennbare Außeneinwirkung zu erfahren während die entgegen gesetzte Richtung einer externen Energiequelle bedarf, im Konkreten also Hilfe von außen
z. Bsp. Freunde, Familie, Therapie, Medikamente und dergleichen.
Der Weg nach unten jedoch ist immer frei und ohne Kraftaufwendung zu gehen, man beginnt aus diversen, auch nicht ersichtlichen Gründen, sich in jener Spirale nach unten zu drehen, sei es durch Leugnung eines Problems, Stress, Sucht, Agression usw. Die Gründe sind ebenso vielfältig wie gefährlich.
Das ist das große Paradoxon menschlicher Existenz...unserer Natur nach streben wir immer dem Licht zu, dem höchsten Punkt und doch begeben wir uns bereitwillig und allein in die Dunkelheit, steigen in die Tiefen unserer Seele hinab und bedürfen in letzter Konsequenz fast ausnahmslos fremder Hilfe um den so offensichtlichen, da hellen Teil des Seins wieder zu erreichen, aus dem wir einst kamen.
Ich sage nicht, dass dieser Weg jedem einzelnen von uns bestimmt ist, aber fast jeder wird dies schon einmal erlebt und erst gemerkt haben, als man den Weg heraus allein nicht mehr finden konnte.
Und jeder, der sich schon einmal mit Mystizismus und Erleuchtung beschäftigt hat, weiß um die harte Arbeit, diese zu erreichen (Schimmel Annemarie: Sufismus; Watts, Alan: Vom Geist des Zen).
Dies muss kein erstrebbares Ziel sein, ich will damit nur zeigen, dass Leichtigkeit keine Sache des Seins ist, sondern immer Askese, Entbehrung und harter, geistiger Arbeit nachfolgt wogegen Geschichten wie die der Christiane F. zum Beispiel zeigen, wie leicht und willkürlich der Weg nach unten ist.
Aber ich schweife ab: nach dem bisher gesagten, klingt es so, als sei unser Charakter eine träge Masse, die wie jeder andere Körper physikalischen Gesetzen unterworfen ist. Zum Einen mag die Menge an Erfahrungen und scheinbar schlimmen und traumatischen Erlebnissen eine Ursache dafür sein, unser Weltbild dem bisher ausgeführten entsprechend zu konstruieren und zu glauben, der Weg ins Licht sei steinig und schwer.
Zum Anderen liegt es sicher auch an einem Art gesamt menschlichen Anspruch, Glück mit harter Arbeit zu verbinden. Ebenjener Anspruch führt zu bereits genannten Stress, der kompensiert werden muss und es bedarf keiner näheren Ausführung, wie diese Kompensierung meist aussieht...und damit ist der Weg nach unten frei. Somit ist jede Art von Druck, egal ob durch andere oder durch sich selbst ausgeübt, die Hauptkonstante für die "feinstoffliche Schwerkraft", die uns nach unten zieht.
Und trotzdem: werfen wir beide Paradigmen, scheinbare Gesetzmäßigkeiten, weg und machen uns davon frei, gäbe es auch jene Schwerkraft nicht. Erfahrungen müssen uns nicht belasten und der Wunsch, aus seinem Leben etwas zu machen, muss nicht unter Druck setzen. Objekte fallen nur Richtung Erdmittelpunkt, wenn sie schwerer als Luft sind und auch wenn wir manchmal das Gefühl haben, unsere Seele wiege Tonnen, so ist es unsere Gott gegebene Macht, jenes Gewicht selbst zu bestimmen.
Aber der Mensch ist nun mal das so oft beschworene Gewohnheitstier und somit nahm er das Gesetz der Schwerkraft irgendwann für sich selbst an und transformierte sein Leben dadurch in einen Kampf, hauptsächlich gegen sich selbst. Dass dieser Kampf aber aussichtslos ist, braucht man nicht weiter zu begründen...jener wird irgendwann wie zu einer obsessiven Arbeit an einer Skulptur, die in den Augen seines Schöpfers immer verbesserungswürdig wäre. 
Und dieser Kampf artikuliert sich im schlechten Gewissen, dass uns plagt, wenn wir etwas beenden oder stolz auf uns sein wollen: jenes mutiert wiederum zu Leistungsdruck, der befriedigt werden möchte, aber immer wieder durch dieses Gewissen angefeuert wird, bis wir irgendwann am Tiefpunkt jener Spirale angekommen sind.
Eine Patentlösung für den Ausbruch aus diesem Kreis gibt es aber nicht, außer vielleicht ein Minimum an Glaube an seine Taten und deren Sinngehalt.
Zusammenfassend sei gesagt: solang wir in dem Glauben leben, alles um uns herum belaste unsere Seele und ziehe sie unweigerlich nach unten, solang wird es auch so sein. Geben wir uns jedoch selbst eine minimale Chance, durch uns selbst jedes Gewicht in Licht zu transformieren, werden wir uns eines Tages frei von jeglicher Belastung machen können. Wenn wir glauben, alles werde von einer Masse angezogen, warum glauben wir dann nicht, dass wir wie Pflanzen Gift in Luft verwandeln können um bei der naturwissenschaftlichen Metapher zu bleiben...wenn wir also nicht daran glauben, dass wir nach unten gezogen werden, so wird uns auch nichts nach unten ziehen.
Das mag zu der Illusion verführen, dass uns gar nichts belasten könne und in einer Art Unnahbarkeit resultiere, aber das ist nicht mein Ziel. Eher geht es mir darum, aus destruktiven Erfahrungen einen konstruktiven Schluss zu ziehen und sich die Zeit zu nehmen, einen angemessenen Umgang mit seinen Problemen zu finden um nicht jene Konstante "Druck" wirken zu lassen, die diese Schwerkraft heraufbeschwört.
Um mit einem Zitat abzuschließen: "Der Mensch bringt sogar die Wüsten zum Blühen. Die einzige Wüste, die ihm noch Widerstand bietet, befindet sich in seinem Kopf." Ephraim Kishon